Über das Buch:
Wer sich Weihnachten einmal etwas unkonventioneller zu Gemüte führen möchte, auf einem Trailerpark in den USA statt in einer gemütlich beheizten Stube und einer Familie, die nicht blutsverwandt und doch schicksalsbedingt eng verbunden ist, der wird an unserer Weihnachtsgeschichte sicher Freude haben.
Während es in der Hauptbuchreihe der McLains meist sehr ernst zugeht, ist Weihnachten mit Hindernissen eine fröhliche, aber auch skurrile Side Story, in der ein Jugendlicher, sein kleiner Bruder, ein mexikanischer Kampfkünstler und ein Untergrundbaron gemeinsam Weihnachten feiern. Es prallen Kulturen, Moralvorstellungen und Bräuche aufeinander. Dazu gibt es noch die Rezepte zum Nachkochen, denn wir haben zusätzlich noch eine Handvoll Rezepte und Weihnachtsbräuche aus Irland, Mexiko und den USA ins Buch gepackt.
Kappentext: Drei Jahre nach ihrer Flucht aus dem Labor scheint im Leben von Blake und Sam McLain endlich Ruhe einzukehren. Ihre neue Heimat ist ein Trailerpark in New Mexiko, wo sie in dem Mexikaner Juan Rodriguez einen väterlichen Freund gefunden haben.
Das erste Weihnachtsfest, das die Brüder wieder in familiärer Atmosphäre verbringen können, steht kurz bevor. Doch zwischen mexikanischen Traditionen, einem griesgrämigen Iren und einer energischen Ärztin ist das Chaos vorprogrammiert. Vor allem wenn eine Spendenaktion für bedürftige Kinder gerettet werden muss.
Leseprobe: Weihnachten mit Hindernissen (Eine McLain-Story)
Blakes Augen brannten, seine Sicht verschwamm. Er blinzelte, wusste er doch, dass die Klinge sich viel zu nahe an seiner Haut befand. Eine Träne rann ihm über die Wange, weitere folgten, während er versuchte, den Anweisungen zu folgen. Einen Fehler konnte er sich nicht erlauben. Nicht heute!
»Nein! Nicht so, du bist ein verdammter Grobmotoriker, Blake«, wurde er prompt ermahnt.
»Ich weiß«, murmelte er und starrte vorwurfsvoll auf die Zwiebelstücke, die fein gewürfelt vor ihm auf dem Schneidebrett lagen.
Nun, gewürfelt waren sie, von fein allerdings konnte keine Rede sein. Beim Fleisch war es einfacher gewesen, die Paprika waren eine Herausforderung, aber die Zwiebeln waren wehrhaft. Ständig glitschten sie ihm zwischen den Fingern hindurch, was Juans Ungeduld nicht gerade besänftigte.
Warum muss er sich auch eine Woche vor Weihnachten die Schulter ausrenken, sodass ich nun das Festessen zubereiten muss?, schoss es Blake durch den Kopf. Wäre es nach mir gegangen, hätten wir uns irgendwo einen fertiges Weihnachtsmenü geholt und im Ofen aufgewärmt. Oder Pizza bestellt. Sammy liebt Pizza, dem ist es egal, ob an Weihnachten oder sonst wann. Und dann besinnt sich Juan ausgerechnet jetzt auf sämtliche mexikanische Weihnachtstraditionen, die je erdacht worden sind. Und wer darf es ausbaden? Richtig, ich.
Er war nur froh, dass keines der Mädchen, die ihn ständig anhimmelten, ihn so sahen. Mit einem Geschirrhandtuch im Bund seiner Jeans in der winzigen Küche des Mexikaners stehend, der ihm derart auf die Finger starrte, dass er allein davon nervös wurde.
»Schmeiß die Zwiebeln zusammen mit dem Knoblauch in den Topf, Blake. Die Pozole macht sich nicht von alleine fertig und wir müssen noch den Bacalao vorbreiten.«
Wir … ja klar.
Seufzend warf er einen Blick auf den unglücklichen Wasserbewohner, der in einer Schale mit Wasser schwamm. Vermutlich hätte er glücklich sein können, wäre er noch lebendig.
»Blake! Willst du hungern heute Abend?«
»Ich mach ja schon.«
Grummelnd gab er die Zutaten für die Pozole in den Topf. Mist, das Öl war zu heiß geworden. Es spritzte hoch und traf seinen nackten Unterarm. Fluchend sprang er ein Stück zurück.
»Rühren, Junge. Du musst rühren, bevor alles anbrennt.«
»Wenn es mich anbrennt, stört es dich ja auch nicht!«
Juan seufzte. »Wir wollen doch ein schönes Weihnachtsfest, nicht wahr. Wir zusammen. Du, ich, Sam. Ich habe mich nicht absichtlich verletzt.«
Genau genommen hatte er sich verletzt, weil Blake unachtsam gewesen war. Was Juan ihm aber nicht vorhalten würde. Stattdessen hatte er ihn zum Küchendienst abkommandiert. Außerdem hatte er recht. Sammy liebte Weihnachten mit allem, was dazu gehörte. Dabei hatte er sein erstes und einziges richtiges Weihnachtsfest vor drei Jahren bei Erin gehabt. Das war kurz nach der Flucht aus dem Labor gewesen, wo an Blake Medikamente getestet wurden, während Sam als Druckmittel herhalten musste.
Erin …
Blake musste unwillkürlich lächeln, als er an die Überraschung dachte, die er für seinen Bruder organisiert hatte. Hätte die Ärztin ihn und Sam damals nicht aufgenommen … Nein, darüber dachte er besser nicht nach.
Sie hatten Glück gehabt, trotz allem.
Fast drei Jahre lang waren sie quer durch die USA gezogen. Immer mit der Angst im Nacken, Dr. Martin oder, schlimmer noch, sein Ziehsohn Jack, könnten sie aufspüren und erneut einsperren. Da war wenig Zeit geblieben, um mit Sammy richtig Weihnachten zu feiern.
Hier jedoch, in dem Trailerpark in New Mexiko, hatten sie zur Ruhe kommen können. Mehr noch, in Juan hatte Sam einen väterlichen Freund gefunden und Blake jemanden, mit dem er ab und zu die Verantwortung für seinen Bruder teilen konnte.
Was bedeutete es dagegen, dieses Jahr das Weihnachtsessen zuzubereiten? Richtig, nichts. Das war nämlich das Mindeste, was er für seinen Bruder und Juan tun konnte. Auch wenn der Mexikaner ihn dabei mit seinem Perfektionismus an den Rand des Wahnsinns trieb.
Nachdem er Wasser in den Topf gegeben hatte – mit Argusaugen von Juan überwacht, nicht dass er es am Ende noch anbrennen ließ – konnte Blake endlich die Pozole Pozole sein lassen.
Aufatmend ließ er sich auf die Sitzbank fallen.
»Kaffee?«, fragte er hoffnungsvoll.
»Ich hab etwas Besseres.«
Juan grinste verschmitzt und deutete auf die Schale mit dem Punsch, den er Blake bereits am Morgen hatte zubereiten lassen, und der seitdem auf dem Herd mit kleiner Flamme warmgehalten wurde.
Blake verzog das Gesicht. »Kinderpunsch? Ist nicht dein Ernst.«
»Nu mecker nicht, bevor du probiert hast.«
Der Mexikaner angelte zwei Becher aus dem Schrank, füllte sie mithilfe einer Suppenkelle und brachte sie nacheinander zum Tisch. Er setzte sich und zog dann einen Flachmann aus der Tasche seiner Weste.
»Mit einem Schuss Tequila wird der Ponche Navideño noch schmackhafter«, meinte er augenzwinkernd und gab eine großzügige Portion in die Tassen. »Damit fällt dir das Aufräumen gleich bestimmt leichter.«
»Aufräumen?« Blake stöhnte auf, als er den Blick über das Chaos an benutztem Geschirr schweifen ließ, das sich zwischen Weihnachtssternen, blinkenden Lichterketten und Kerzenhaltern auf jeder freien Fläche stapelte.
»Sam könnte vielleicht …«, begann er hoffnungsvoll.
»Falls er sich noch bewegen kann, wenn er von der Posada zurückkommt.«
Ein berechtigter Einwand, wie Blake fand. Gedanklich verabschiedete er sich von der Hoffnung auf Sams Hilfe.
Es hatte lange gedauert, bis sein Bruder sich geöffnet und Anschluss an die anderen Kindern gefunden hatte, aber dieses Jahr nahm er an allem teil, was der Trailerpark in der Vorweihnachtszeit bot. Seien es die mexikanischen Posadas, die amerikanische Version von Haus zu Haus zu gehen, um Süßigkeiten zu bekommen, oder exzessives Plätzchen backen – Blake hatte keine Ahnung, wie viel Mehl er am National Cookie Cutter Day und dem darauffolgenden Bake Cookies Day verbraucht hatte, um mit Sam pfundweise Gebäck herzustellen. Der Menge nach hätten sie sich die nächsten Monate von Cookies, Cupcakes, Jelly Buttons und Muffins ernähren können. Glücklicherweise war Sam ebenso freigiebig zu denen, die an ihre Tür klopften, wie die anderen zu ihm.
Im Gegensatz zum ersten Jahr, das sie im Trailerpark verbrachten, hatte Blake auch nicht reflexartig zum Messer gegriffen, wenn jemand sich ihrem Caravan näherte. Stattdessen hatte er sich an den Trubel gewöhnt, auch wenn er ihn lange nicht so heiß und innig liebte wie Sam.
Als wäre dieser Gedanke ein Auslöser gewesen, erklang die Stimme seines Bruders vor dem Caravan.
»Blaaaaake! Ich hab die Piñata gefunden!«, krähte er, mit einem triumphierenden Unterton.
»Dieser naseweise Bengel«, fluchte Juan und war noch vor Blake bei der Tür. »Wirst du wohl die Finger davonlassen«, brüllte er. »Die ist für morgen! Außerdem habe ich dir gesagt, du sollst nicht danach suchen!«
»Du hast gesagt, ich würde sie ohnehin nicht finden!«, korrigierte Sam.
»Das ist das Gleiche!«
»Ist es nicht! Blaaaake«