#aprilsettings2020 mit Jack Harper

In dieser Challenge geht es um die Handlungsorte in den Büchern. Wie es bei einer Challenge von Gabi Büttner üblich ist, antworten die Protagonisten (oder auch die Antagonisten) auf die Fragen. Wir haben uns dafür Jack Harper, auch bekannt als Jack Martin ausgesucht. Bei unserem letzten Interview war es 21, bei diesem ist er 32 Jahre alt.

Tag 1: Stell dich bitte mit maximal drei Sätzen vor. Zusätzlich hast du 3 Wörter, um dich selbst zu beschreiben.
»Jack Martin, geboren 01.05.1979 in New Jersey als Jakob Randal Harper. CEO von PharmaCorp, Folterexperte, Auftragskiller.«

Tag 2: Wo und in welcher Zeit lebst du? Ist dieser Ort fiktiv oder real?
»Meine Geschichte beginnt im Jahr 2013. Vermutlich werden einige behaupten, sie begann bereits im Jahr 2000, als diese unsägliche Sache mit den McLain-Brüdern passiert ist. Aber es geht um MEINE Geschichte und die beginnt 2013. Auch wenn sich meine impertinenten Autorinnen gedacht haben, sie schnüffeln hin und wieder in meiner Vergangenheit herum. Ich lebe in Jersey-City, USA. Genauer gesagt im Luxusimmobilienland. Die Stadthäuser in dem Viertel Jerseys, in dem ich wohne, bestehen aus Backstein, sind umgeben von Zäunen und Mauern und es versteckt sich in ihnen mehr Technologie als in dem Mediamarkt eurer Nachbarschaft. Könntet ihr durch die Fenster hineinsehen, würdet entweder Räume erblicken, die bis zum Ersticken mit Antiquitäten vollgestopft sind, dazu genug Stuck an den Decken, um Versailles zum Einsturz zu bringen. Oder derart durchgestylt, dass sie jederzeit in der Home Today einen Preis gewinnen würden. Was Unsinn ist, weil keiner ihrer Bewohner einem Pressefutzi auch nur auf das Grundstück lassen würde.«

Tag 3: Spielt der Schauplatz eine entscheidende Rolle für deine Geschichte? Wenn ja, welche?
»Rein theoretisch gesehen spielt der Schauplatz keine größere Rolle. Es ging dabei lediglich um Authentizität. Mein Vater, Dr. Owen Martin, betreibt das drittgrößte Pharmaunternehmen in den USA. Die meisten der großen Pharmaziehersteller in den USA sind in New Jersey angesiedelt sind, daher bot es sich an, die Handlung dorthin zu verlegen.«

Tag 4: Denkst du, dein Autor könnte deine Geschichte an einem anderen Schauplatz spielen lassen? Wie würde das die Geschichte verändern?
»So wie ich meine Autorinnen kennengelernt habe, können sie eine Menge. Selbstverständlich könnten sie die Handlung auch nach Deutschland verlegen, nach London, von mir aus auch nach Hintertupfingen. Es würde meine Geschichte kaum verändern. Außer vielleicht, dass Geld in den USA ein stärkerer Türöffner ist. Aber alles, was mein ›Vater‹ sich mithilfe seines Vermögens erlauben kann, könnte er an jedem anderen Ort auch. Es ist überall hilfreich, die eine oder andere Million im Rücken zu haben.«

Tag 5: Gibt es eine Besonderheit an deinem Schauplatz? Wenn ja, welche?
»Ich lebe in einem normalen Umfeld. Zumindest scheint es von außen so.

Im Keller unserer ehemaligen Firmenzentrale gab es jedoch ein Labor und Zellen, in denen Kinder saßen. Ich war eins davon, bis mein ›Vater‹ beschloss, dass ich ihm auf eine andere Art nützlicher sein kann. Es war …« Jack tippt sich an die Schläfe. »Es hat etwas in mir verändert. Ich war sechzehn, als mein ›Vater‹ mir einen Vortrag darüber hielt, was menschliche Organe auf dem Schwarzmarkt wert sind, solange sie noch als brauchbar betrachtet werden.«

Erneut stockt er, versunken in der Erinnerung. Das Entsetzen, als ihm klar wurde, dass im Keller von PharmaCorp nicht nur experimentiert, sondern Schlachtvieh gehalten wurde, setzte sich damals in seiner Kehle fest. Es ist nie vollständig gewichen.
»Damals habe ich angefangen, mich abzuschirmen, keine Emotionen mehr zuzulassen. Zwei Jahre später – nachdem ich das erste Leben genommen hatte – bin ich dazu übergegangen auch ›Befragungen‹ spezieller Art für andere auszuführen. Ich brauchte Geld, um die Kinder, die ich entsorgen sollte … Egal, ich brauchete eben Geld.«

Tag 6: Beschreibe deinen liebsten Schauplatz mit drei Sätzen. Welche Gefühle verbindest du mit dem Ort?
»Es gibt ein kleines Haus, am Stadtrand von Jersey, mit lächerlichen Sicherheitsstandards. Die Räume sind winzig, im Vergleich zu denen, die ich gewohnt bin. Vollgestopft mit alten Möbeln, die nicht zueinander passen und überall liegen Bücher herum. Was ich mit diesem Ort verbinde? Freiheit, Sicherheit, Zuneigung. Alles Dinge, die ich sonst nirgends gefunden habe.«

Tag 7: Gibt es Orte, die du gar nicht magst? Wenn ja, warum ist das so?
»Camden,  eine Industrie- und Hafenstadt im Bundesstaat New Jersey, USA. Die ersten Jahre meines Lebens verbrachte ich dort und ich hasse diesen Ort. Camden war viele Jahrzehnte wichtiger Industriestandort, vor allem für die Herstellung von Plattenspielern, die Nahrungsmittelindustrie und den Schiffbau, wurde aber durch den Strukturwandel und den industriellen Niedergang schwer getroffen und gehört heute zu den ärmsten Städten der USA.  Als ich dort lebte, gab es dort nichts, außer Hunger, Gewalt und Drogen. Das Aufeinanderklatschen nackter Leiber und brünstiges Grunzen fremder Männer waren meine Einschlafmelodie, denn meine Mutter arbeitete von zuhause aus. Mein Bett bestand aus einer mit Decken ausgelegten Badewanne, mein Kinderzimmer war außerhalb des miesen Lochs, in dem wir hausten. Es war eine Nische unter der Kellertreppe, in dem ich tagsüber Sommer wie Winter hockte, wenn meine Erzeugerin ihre Kunden bediente.
Heute hingegen schlafe ich in einem Bett, breiter als die sogenannte Küche meiner Kindheit. Meine Kleidung ist maßgeschneidert. Ich trage Verantwortung, befehlige Untergebene, die sich mir unterordnen! All das habe ich einzig meinem Vater zu verdanken. Dennoch wünschte ich im Nachhinein, ich wäre ihm nie begegnet.«

Tag 8: Was würdest du in deiner Welt gerne verändern, wenn dein Autor dich lassen würde?
»Ich würde jemanden den Tod bringen, den er verdient. Langsam und schmerzhaft.«

Tag 9: Was ist der seltsamste Ort, an dem du jemals warst?
»Ein fensterloser Kellerraum. Die Einrichtung bestand lediglich aus einem schmalen Bett, einem Waschbecken aus Aluminium mit passendem WC hinter einer Wandnische und einer nackten Glühbirne an der Decke. Die Wände ebenso weiß, wie der Boden. Vielleicht lag es auch nicht an dem Ort, der mich dazu brauchte mich seltsam zu fühlen, sondern an den Umständen, die mich dorthin gebracht haben.«

Tag 10: Welche Feiertage gibt es in deiner Welt?
Die staatlichen Feiertage in den USA sind überwiegend nicht religiöser Natur. Viele erinnern an Ereignisse der nationalen Geschichte oder an gesellschaftliche Themen (Veteranen, Arbeiter …). Feiertage sind bei uns nicht generell arbeitsfrei; ob gearbeitet werden muss oder nicht, hängt von den Vereinbarungen des Arbeitsvertrags ab. Angestellte und Beamte der Bundesregierung haben an den Bundesfeiertagen frei.
Die folgenden zehn Feiertage wurden von der Bundesregierung zu gesetzlichen Feiertagen erklärt. Regierungsstellen und Ämter einschließlich der Postämter sind an allen gesetzlichen Feiertagen geschlossen. Schulen und Geschäfte bleiben an den Hauptfeiertagen wie Independence Day, Thanksgiving und Weihnachten geschlossen, aber nicht unbedingt an Tagen wie Presidents’ oder Veterans Day.

New Year’s Day (Neujahr) – 1. Januar.
Martin Luther King Day – dritter Montag im Januar.
Washington’s Birthday (Presidents‘ Day) – dritter Montag im Februar.
Memorial Day (Gedenktag) – letzter Montag im Mai.
Independence Day (Unabhängigkeitstag) – 4. Juli.
Labor Day (Tag der Arbeit) – erster Montag im September.
Columbus Day (Kolumbus-Tag) – zweiter Montag im Oktober.
Veterans Day (Veteranentag) – 11. November.
Thanksgiving Day (Erntedankfest) – vierter Donnerstag im November.
Christmas Day (Weihnachten) – 25. Dezember.

Fallen Neujahr, der Unabhängigkeitstag oder Weihnachten auf einen Sonntag, so ist der folgende Tag ebenfalls ein Feiertag. Fällt einer dieser Tage auf einen Samstag, wird der Tag davor zum Feiertag.

Tag 11: Haben die Feiertage eine Bedeutung für dich? Wenn ja, welche?

Im Hause meines ›Vaters‹ wurde den Feiertagen keine Bedeutung beigemessen. Ich arbeite auch an diesen Tagen wie üblich, abgesehen von einigen Stunden, die ich traditionell kniend im Garten  verbringe. Immer mit freiem Oberkörper, egal zu welcher Jahreszeit, die Arme über den Kopf erhoben und absolut regungslos. Eine alljährliche Erinnerung meines ›Vaters‹ daran, niemals Erwartungen zu hegen.«



Tag 12: Es ist Ostern. Beschreibe uns ein Feiertagsritual deiner Welt.
»Ostern gehört zu den offiziellen US-Feiertagen. Selbst wenn es im Vergleich zu den europäischen Ländern nicht so besinnlich zugeht, ist das amerikanische Osterfest dem deutschen in vielen Punkten sehr ähnlich. Der Osterhase und die Ostereier-Suche spielen besonders für die Kinder eine große Rolle und für Christen ist auch der Gottesdienst am Ostersonntag sehr wichtig.
Die Kinder bekommen für gewöhnlich Süßigkeiten und bunt bemalte Ostereier vom Osterhasen, die von den Eltern heimlich vorher im Haus oder im Garten versteckt wurden.
Wenn alle Ostereier eingesammelt wurden, beginnt das in den USA weitverbreitete „Easter Egg Roll“, bei dem die Kinder alle gleichzeitig ein Ei von einem Hügel herunterrollen lassen, in der Hoffnung, dass das eigene Ei zuerst unten ankommt und damit das Spiel gewinnt.
Eine weitere Ostertradition bei uns sind die Osterparaden, wobei jede Stadt ihre eigenen Bräuche hat. Die größte und bekannteste Easter Parade findet in New York City statt. Sie beginnt um 10 Uhr vormittags und dauert bis in den späten Nachmittag. Es ist ein buntes Treiben entlang der Fifth Avenue. Viele verkleiden sich und ziehen neben Blaskapellen und farbenfroh geschmückten Osterwagen durch die Stadt. Das Ganze ist dem Karneval in Köln ziemlich ähnlich.
Neben der großen Osterparade werden beispielsweise auch rund um die St. Patricks Cathedral zahlreiche Bühnen aufgebaut, wo sich ebenfalls viele Feierfreudige versammeln und den Tag gemeinsam zelebrieren.«

Tag 13: Gibt es ein besonderes Essen zu Feiertagen in deiner Welt? Wenn ja, welches? Wenn nein, verrate uns dein Lieblingsessen.
»Zum Osteressen wird häufig traditionell Baked Ham serviert. Das ist ein herzhafter Knochenschinken, welcher im Backofen gegart und anschließend mit einer würzigen Marinade, meist Honig-Senf-Marinade, verfeinert wird. Als Beilage gibt es Kartoffeln und Gemüse. Alternativ ist auch das Easter Lamb ein sehr beliebtes Gericht am Osterfest.
Meine eigene Ernährung ist seit meinem achten Lebensjahr streng geregelt. Ich wurde darauf trainiert, bis ans Limit gebracht zu werden. Oft auch darüber hinaus. Darauf war auch mein Ernährungsplan ausgerichtet, unterstützt von den leistungssteigernden Kuren aus der Produktion von PharmaCorp. Dennoch habe ich vor einiger Zeit eine Vorliebe für Schokoladenkuchen entwickelt.«

14: Wer war die verrückteste, beeindruckendste, gefährlichste Person, der du in deiner Welt begegnet bist?
»Die gefährlichste Person, der ich je begegnet bin, ist mein Ziehvater. Über mich wird gesagt, ich würde keine Skrupel kennen. Doch niemand hat je gefragt, wer sie mir genommen, einem Kind, ohne Hemmungen, jegliches Schuldbewusstsein systematisch ausgetrieben hat. Die beeindruckendste Person ist vermutlich Sam McLain. Es heißt, ich könnte jeden brechen. Sam ist gerade mal 22 Jahre alt und doch hätte ich mir an ihm fast die Zähne ausgebissen. Sein Stolz ist sowohl seine größte Schwäche als auch seine größte Stärke. Die verrückteste Person … Emily Stevens. Sie glaubt tatsächlich, es gäbe etwas Gutes in mir. Wenn das nicht verrückt ist …«

Tag 15: Wenn Du dir einen Ort aussuchen könntest und Geld keine Rolle spielen würde, wo würdest Du gerne leben?
»Geld spielt für mich sowieso keine Rolle. Meine … Sonderleistungen werden im fünfstelligen Bereich honoriert. Meist mit Erfolgsbonus. Doch die Wahrheit ist; ich will das nicht mehr tun! Ich will damit aufhören, selbst wenn es bedeuten würde, zurück nach Camden zu ziehen. Die Taubheit in meinen Gliedern, während ich ›arbeite‹, die Leere meiner Seele … Der Preis ist zu hoch. Ich will ein Leben, das diesen Namen auch verdient. Luxus ist dazu nicht notwendig.«

Tag 16: Wo möchtest du auf gar keinen Fall leben?

»Im Haus meines Vaters. Ich bin fast zweiunddreißig und lebe noch immer bei meinem ihm. Es ist mir nicht direkt verboten, mir eine eigene Wohnung zu nehmen, doch ich weiß, mein Vater würde es nicht gutheißen. Dennoch habe ich es satt rund um die Uhr zur Verfügung zu stehen. Bin es leid, in diesem verfluchten Rondell im Garten zu knien, den Geruch seiner geliebten Rosen in der Nase, der mich beinahe erstickt. Aber gut, es ist besser im Kies zu knien, als auf den verdammten Rosen.«


Tag 17: Wie würde dein ultimatives Traumhaus aussehen?
»Ich dachte immer, ich bevorzuge große Häuser mit weiten Räumen. Viel schwarz und Chrome. Große Fenster, allerdings aus kugelsicherem Glas. Aber ich habe festgestellt, dass ich mich auch mit kleinen Räumen begnügen kann. Vollgestopft mit Büchern und altmodischen Tand. Eine kleine Staffelei in einer Ecke im Wohnzimmer, wodurch es oft nach Farbe riecht. Eine Küche, mit einem antiquierten Gasherd, auf dem man das beste Chili der Welt kochen kann. Dazu ein winziger Garten hinter dem Haus. Lediglich geschützt durch eine Hecke, die dringend einen Schnitt nötig hätte … Es ist nicht das Gebäude, auf das es ankommt, nicht die Einrichtung, die einen Ort zu einem Zuhause macht. Es ist der Mensch, mit dem man diesen Ort teilt.«

Tag 18: Welches Land steht ganz oben auf deiner Reise-Liste? Was war dein schönstes Urlaubserlebnis?
»Das einzige, was sich annähernd als Urlaub bezeichnen ließ, waren einige Wochen in einem Hotel in Jersey. Es gab einen Strand und die Art wie sich das Mondlicht auf ihrer … Egal, alles, was mir bleibt, sind Erinnerungen und der Wunsch nach Vergeltung.«

Tag 19: Lieber Wildcampen oder Luxushotel?
»Wirke ich wie ein Mann, der Wildcamping betreibt? Wenn nötig zelte ich auch bei minus 20 Grad in der kanadischen Wildnis oder hause in einem Trailerpark. Doch ohne zwingenden Grund meinen Anzug gegen ein Flanellhemd und Jeans tauschen? Mich in die Büsche schlagen, um mich zu erleichtern, wenn ich auch ein Badezimmer mit beheiztem Whirlpool haben kann? Womöglich selbstgefangenen Fisch auf einen Ast spießen und über ein Feuer halten, anstatt einer ausgewogenen, genau auf meinen Körper abgestimmten Mahlzeit? Warum sollte ich so etwas tun wollen?«

Tag 20: Welche Sprachen sprichst du, welche würdest du gerne sprechen und warum gerade diese? Sprichst du irgendwelche Dialekte?
»Neben Englisch beherrsche ich fließend die russische, spanische und deutsche Sprache. Im Chinesischen verfüge ich über Grundkenntnisse. Als künftiger CEO eines international agierenden Konzerns sind Kenntnisse mehrerer Sprachen unabdingbar. Geschäftspartner schätzen es, sich in ihrer Muttersprache unterhalten zu können. Höflichkeit gehört nun einmal zu diesem Business, sei sie auch noch so geheuchelt. Sollte es nötig sein, erlerne ich weitere Sprachen, doch zum aktuellen Zeitpunkt sehe ich darin keinen nutzen.«

Tag 21: Hast du Wurzeln aus fremden Ländern?
»Meine Mutter war eine drittklassige Hure, dämlich genug, sich von einem ihrer Freier schwängern zu lassen. Ich kenne meinen Erzeuger also nicht. Auch mit meiner Mutter gab es keine Gespräche über ihre Abstammung. Es ist schwierig, sich mit jemanden zu unterhalten, der entweder stoned auf dem Sofa liegt, oder einen Schwanz im Mund hat. Soweit ich mich erinnere, war sie kaukasischer Abstammung.«

Tag 22: Du wirst auf eine einsame Insel verbannt und darfst nur einen Gegenstand mitnehmen. Welcher wäre das?



»Alles, was ich brauche ist ein Foto. Nicht, weil ich jemals vergessen würde, aber … Ich sehe es gerne an. Manchmal habe ich das Gefühl, meine Seele zerbricht. Scherben davon kratzen über meine Rippen. Die Splitter setzen sich in meiner Kehle fest, machen es mir unmöglich zu atmen. Dieses Foto … Es hält mich zusammen.«



Tag 23: Wenn es eine persönliche Flagge für dich gäbe, wie würde sie aussehen?
Jack sieht seine Autorin an und hebt eine Braue. »Was ist denn das für eine dämliche Frage?«
»Keine Ahnung, ich hab sie mir nicht ausgedacht.«
»Doch, hast du.«
»Verdammt … Ist doch egal. Antworte einfach, dann haben wir es hinter uns.«
»Sie wäre auf jeden Fall Rot.«
»Weil Rot für Liebe und Leidenschaft steht?«
»Nein, Rot steht auch für Gefahr, Zerstörung und Zorn. Vielleicht solltest du daran denken, bevor du das nächste Mal eine derart überflüssige Frage stellst.«

Tag 24: Welche Gesetze gibt es in deiner Welt?
»Ohne Zweifel gibt es eine Menge, wofür ich verurteilt werden können. Hier ein paar Beispiele, die es tatsächlich genau so gibt:
– Einem Polizisten gegenüber die Stirn zu runzeln, ist verboten.
– Wenn Sie für eine Trunkenheitsfahrt bestraft wurden, dürfen Sie nie wieder ein Wunschkennzeichen für ihr Auto beantragen.
– Das Behindern oder Aufhalten von Brieftauben ist verboten.
– Bowling ist verboten. (Evanston – Stadtgesetz)
– Außer im Brandfall ist es nicht erlaubt, in einem Auto die Kleidung zu wechseln, wenn die Vorhänge geöffnet sind. (Ebenfalls Evanston – Stadtgesetz)
– Das Gesetz verbietet das Essen an einem Platz, der brennt. (Chicago – Stadtgesetz)
– Hunden Whiskey zum Trinken zu geben ist verboten. (Chicago – Stadtgesetz)
– Im Pullmanwagen eines Zuges ist das Biertrinken aus Eimern verboten. (Chicago – Stadtgesetz)
– Während sie auf einem Giraffenhals sitzen, dürfen sie nicht fischen. (Chicago – Stadtgesetz)
– Wenn sie jünger sind als 17 Jahre und keine Erlaubnis haben, dürfen sie nicht nackt vor Rathaus protestieren. (Chicago – Stadtgesetz.)
– Wenn Sie nicht mindestens einen 1 $-Schein bei sich tragen, können sie wegen Landstreicherei eingesperrt werden. (Illinois – Staatsgesetz)
– Sie müssen sich bei der Polizei melden, bevor sie in einem Auto in eine Stadt einfahren. (Illinois – Staatsgesetz)
– Die englische Sprache darf nicht gesprochen werden … (Illinois – Staatsgesetz)

Tag 25: Wenn du König oder Königin eines eigenen Landes wärst, welche Gesetze würdest du erlassen?
Jack räuspert sich. »Was sagte ich dir im Bezug dämliche Fragen?«
»Komm schon, so blöd ist die gar nicht. Lass doch einfach mal deine Fantasie spielen. Was würdest du ändern wollen?«
»Was zum Teufel soll ich mit einem eigenen Land? Ein Unternehmen zu führen ist bereits kompliziert genug!«
»Das führst ja nicht du, sondern dein Vater.«
»Ziehvater!«
Ups, wunder Punkt. Ich versuche einen anderen Ansatz.
»Was wäre dir persönlich denn wichtig? Was würdest du ändern wollen?«
Tatsächlich überlegt er einen Moment, bevor er sagt: »Ich würde jeden, der Kinder misshandelt dasselbe antun, was er ihnen angetan hat.«

Tag 26: Wenn du nur noch ein Lebensmittel deiner Welt für den Rest deines Lebens essen könntest, welches wäre das und warum gerade dieses?
»Schokoladenkuchen! Nicht, weil ich ihn besonders gerne mag, aber vielleicht gibt er mir das Gefühl zurück, dass ich hatte, als ich ihn zum ersten Mal gekostet habe. Zuneigung, die keine Gegenleistung fordert. Menschliche Wärme, das Gefühl wirklich willkommen zu sein, ohne einen Preis dafür zahlen zu müssen.«

Tag 27: Du musst wählen: Welchen Charakter hättest du gerne als Mitbewohner?
»Ich lebe bereits mein ganzes Leben mit jemanden zusammen. Bis ich vier Jahre alt war mit meiner Mutter, möge sie in der Hölle verrotten. Danach in verschiedenen Pflegefamilien, oft zusammen mit drei, vier anderen Jungen in ein Zimmer gepfercht. Danach im Waisenhaus. Erst als ich mit acht Jahren ins Labor gekommen bin, hatte ich zum ersten Mal einen Raum ganz für mich. Was aber nichts damit zu tun hatte, alleine zu wohnen. Seitdem ich vierzehn bin, lebe ich mit meinem Vater zusammen. Was ich also wirklich nicht brauche, ist ein Mitbewohner. Sollte ich allerdings gezwungen sein zu wählen, gibt es da tatsächlich einen einzigen Menschen, mit dem ich wirklich zusammen wohnen möchte. Sie ist nachgiebig wie eine Weidenrute, hat aber dennoch ein Rückgrat aus Stahl. Sanft, aber sie kann auch energisch sein und lässt sich nicht einschüchtern. In ihrer Nähe fühle ich mich lebendig, fast wie ein Mensch, nicht wie das Monster, dass alle in mir sehen.«

Tag 28: Gibt es verschiedene Jahreszeiten in deiner Welt? Wenn ja, welche magst du am liebsten?
»Ich lebe in Jersey, USA, nicht im Auenwald und auch nicht im dritten Kreis der Hölle. Von den Jahreszeiten ist mir der Herbst oder das Frühjahr am liebsten. Es ist angenehmer, bei einer Disziplinierung stundenlang regungslos im Kies zu knien, wenn die Sonne einem nicht die Haut verbrennt oder eisige Kälte deinen Verstand lähmt.«

 Tag 29: Was ist der wertvollste Gegenstand, die du jemals draußen auf der Straße gefunden hast?
»Ich streune weder durch Straßen, noch neige ich dazu, irgendetwas von dort aufzusammeln. Es sei denn, ich befinde mich auf der Jagd und verfolge Spuren. Dennoch habe ich etwas auf der Straße gefunden, allerdings keinen Gegenstand. Damals war ich noch ein Kind, vielleicht drei, vier Jahre alt. Oft hatte ich mich unter dem schmalen Vordach des Kellerfensters zusammengekauert, während meine Mutter ›arbeitete‹. Dabei kümmerte es sie nie, ob es regnete oder schneite. Aber eine alte Mexikanerin, die in der Nachbarschaft wohnte, kam ab und an vorbei und brachte mir warme Tacos oder Quesadillas. Sie hat dabei immer auf mich eingeredet. Doch ich verstand kein Spanisch und sie sprach kein Englisch. Nur ein Wort war mir im Gedächtnis geblieben. Cachorro … Heute weiß ich, dass es Welpe heißt. Genau das bin ich gewesen. Ein streunender Hund, angewiesen auf die Wohltätigkeit anderer. Diese Barmherzigkeit der alten Frau, war das Wertvollste, was ich je auf der Straße gefunden habe. Ich habe es nur zu spät begriffen …«

Tag 30: Was glaubst du, wie sieht deine Welt in 50 Jahren aus?
»Bis dahin bin ich über achtzig. Wer weiß, vielleicht erinnert sich dann ja noch jemand an mich. Es ist ja zweifelhaft, dass ich überhaupt so alt werde, denn ich denke nicht, dass für mich ein Tod an Altersschwäche vorgesehen ist. Vermutlich ende ich mit einer Kugel im Kopf oder einem Messer zwischen den Rippen. Warum sollte ich mir also Gedanken machen, wie diese Welt in 50 Jahren aussehen wird? Entweder wir haben sie bis dahin komplett ruiniert oder wir wachen langsam auf und tun alles dafür, dass wir weiterhin auf dieser Erde leben können. Ein dazwischen gibt es nicht.«

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